Über Mut und Verantwortung – oder: “Würden Sie einen ehemaligen Strafgefangenen einstellen?”

Gruppenbild vor der schwimmenden Solaranlage LEAG auf der Cottbusser Ostsee.

Gemeinsam mit 30 weiteren Führungskräften aus Brandenburg hat The-Future-Living-Co-Gründerin Charlotte Francke sich auf die Reise durch Brandenburg gemacht. Zu den Stationen gehörten die JVA Brandenburg an der Havel, der Verfassungsschutz, das Gut Neu Sacro, die schwimmende Solaranlage der LEAG und viele mehr.

Während acht intensiver Programmtage standen der Austausch, die Weiterentwicklung eigener Führungsmethoden sowie die Frage, wie Brandenburg in eine lebenswerte und nachhaltige Zukunft geführt werden kann, im Mittelpunkt. 

Charlotte, welchen Input hat dir die Leadership Journey gegeben und welchen Input hast du ihr gegeben?

Charlotte Francke: Eingebracht habe ich sicherlich eine unübliche Perspektive. Ich habe ein Wirtschaftsunternehmen gegründet – eine „klassiche“ GmbH – allerdings mit dem klaren Ziel einen Mehrwert für Gesellschaft und die Menschen innerhalb des Unternehmens zu erreichen. In die oft streng abgegrenzte Logik der drei Sektoren „Sozial, Wirtschaft, Verwaltung“, die teilweise sogar als oppositionell zueinander verstanden wird, passen wir nicht rein. Was wir erfolgreich tun, ist für viele ein völlig neues Konzept von Wirtschaften und wirtschaftlichem Interesse, dass es erlaubt, den Status-Quo zu hinterfragen. Auch der Gedanke, durch Synergien und gemeinsame Strategien zwischen den Sektoren deutlich mehr Gemeinwohl zu generieren, kommt nicht bei allen automatisch – für mich ist das allerdings völlig logisch. 

Brandenburg steht vor vielfältigen Herausforderungen – mit selten dagewesenen Chancen und einem enormen Potenzial für positive Veränderungen, das jedoch oft mit Reibungen und unterschiedlichen Vorstellungen, wie der Weg vorwärts geht einhergeht. Ich habe gelernt, wer in dem Dialog und in der Steuerung des Wandels welche Rolle spielt und kann besser nachvollziehen, wer an welchen Stellschrauben dreht und warum. Entscheidend war dabei, dieselben Themen aus sehr unterschiedlichen Blickwinkeln zu erfahren. Die Möglichkeit dieselben Fragen zur wirtschaftlichen, sozialen und politischen Entwicklung eines Ortes an den/die Bürgermeister*in, Anwohner*in, lokale Unternehmen, soziale Träger, Ministeriumsangehörige und den Verfassungsschutz stellen zu können, ist außerhalb eines solchen Leadership-Settings kaum zu finden.

Gab es Begegnungen, die dir nachhaltig in Erinnerung geblieben sind?

Charlotte Francke: Da gab es so viele. Besonders beeindruckend finde ich Menschen, die sich auch trotz persönlichem Risiko für die Demokratie und die Gesellschaft einsetzen – ob bspw. in der JVA Brandenburg, beim Verfassungsschutz, oder der Jugendarbeit in Angermünde.  Gleichzeitig sind auch Unternehmen – von Bauernhof bis Energiewirtschaft – von enormen Veränderungen betroffen, die in der Gesellschaft sehr unterschiedlich wahrgenommen werden. Es war spannend zu beobachten, wie diese politisch hoch geladenen Veränderungen gehandhabt – oder eben nicht gehandhabt – werden. 

Darüber hinaus war der respektvolle Austausch und das Miteinander unter den Teilnehmenden sehr wichtig. Auf Augenhöhe und mit großem Interesse wurde Feedback gegeben und eine Vielzahl von Themen besprochen. Beispielsweise hat mich eine Teilnehmerin direkt auf eine meiner Reaktionen bezüglich dem Diskussionsthema Geschlechterrollen angesprochen – für mich war das ein willkommenes Feedback und eine wunderbare Gelegenheit zum persönlichen Austausch. Der direkte, persönliche Meinungsaustausch und das Lernen voneinander aus unterschiedlichen Lebens- und Erfahrungswelten waren für mich von unschätzbarem Wert.

Hat die Zeit deine eigene Definition von Leadership verändert?

Charlotte Francke: Ich bin überzeugt, dass Leadership auf vielfältige Weise verstanden werden kann. Mir entspricht es am meisten, wenn Personen authentisch und positiv für die Gesellschaft eintreten. Dies erfordert Können, Offenheit, Haltung und an vielen Stellen auch eine gehörige Portion Mut. Die Begegnungen mit diversen spannenden Persönlichkeiten haben mich darin bestärkt und werden mich auch in Zukunft inspirieren (noch) mutiger zu agieren. 

Zudem habe ich den Wert von Veränderung und Entwicklung als kontinuierlichen, normalen Prozess noch stärker zu schätzen gelernt. Als Gründerin ist Wandel für mich selbstverständlich – in dem Programm ist mir jedoch wieder klar geworden, dass das nicht überall der Fall ist. Wird Veränderung erst im Notfall erlernt und umgesetzt, ist es extrem schwierig, alle Betroffenen mitzunehmen.

Gerade im Kontext des Strukturwandels wird deutlich, dass dadurch viele Potenziale ungenutzt bleiben. Als Führungskraft ist es daher wichtig, Strukturen und eine Kultur zu schaffen, die Partizipation, Selbstwirksamkeit und ein Gefühl von Grundsicherheit fördern, um Veränderungen positiv und nachhaltig zu gestalten.

Gibt es eine Frage, mit der du aus dieser Zeit gehst?

Charlotte Francke: Obwohl ich über die Grenzen von Brandenburg, Deutschland und sogar Europas hinaus arbeite, bleibt mein Engagement in unserer „Gründungsheimat“ Brandenburg – ebenso wie das von The Future Living – von enormer Bedeutung und spannender Herausforderung. Brandenburg zeigt sich gerne von zwei Seiten: Es bietet immense Potenziale und aktuell zahlreiche (Mit-) Gestaltungsmöglichkeiten, doch es gibt auch Tage, an denen man angesichts der Herausforderungen frustriert ist und sich fragt: Wie geht es weiter? Können wir die enormen Chancen positiv nutzen? Wie sieht die Zukunft aus? 

Darauf habe ich keine endgültige Antwort – aber ich bin voller Hoffnung. Fest steht: Brandenburg ist voll von inspirierenden, fleißigen, innovativen und mutigen Menschen, die einen positiven Beitrag leisten. Da muss man einfach mitmachen!

Und, würdest du einen ehemaligen Strafgefangenen einstellen?

Charlotte Francke: Ja, das würde ich. Mein Anspruch ist erstmal “no Stigma”. Tatsächlich weiß man das ja auch gar nicht – in meinem Bereich benötigt es kein polizeiliches Führungszeugnis oder ähnliches. Ich denke, es wäre hilfreich, das zu wissen – vor allem, wenn damit besondere Bedürfnisse verbunden sind. Dann könnte ich bei der Betreuung gezielt bestimmte Leistungen anbieten.

*Ziele und (erwartete) Ergebnisse:
Brandenburger Führungsverantwortliche aus der öffentlichen Verwaltung, der Privatwirtschaft und dem Non-Profit/sozialen Bereich begeben sich gemeinsam auf eine Leadership Learning-Journey; eine Lernreise durch Führungsrealitäten und Führungsthemen in Brandenburg

Das Programm wird aus Mitteln der Europäischen Union und des Landes Brandenburg gefördert und verfolgt folgendes Vorhaben: “Fortbildung für Führungskräfte in Brandenburg – Führungskräfteschulung und Exkursion”

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